Ich möchte diesen Beitrag dort beginnen, wo der letzte aufgehört hat: in Cape Reinga. Es soll nämlich nicht unerwähnt bleiben, dass dieser Ort den wichtigsten spirituellen Platz für die Maori darstellt. Laut deren Mythologie wandern die Seelen der Verstorbenen an eben dieser Stelle in die Unterwelt (Reinga). Nach dem Ableben eines Maori, begibt sich dessen Seele zum Cape und lässt sich an einer Wurzel des dort stehenden, 800 Jahre alten, Pohutukawa Baums (neuseeländischer Weihnachtsbaum) ins Wasser herabgleiten. Unter Wasser bewegt sich die Seele zu den dem Cape vorgelagerten Three Kings Islands, um sich mit einem letzten Blick zurück von Neuseeland zu verabschieden. Anschließend tritt die Seele die Reise in das Land ihrer Ahnen, Hawaiiki an.
Den Tag nach unserem Cape Reinga Besuch, Ostersonntag, verbrachten wir in Ahipara. Dieser Ort liegt am südlichen Ende des Ninety Mile Beach, der tatsächlich aber „nur“ 88 km lang ist. Der Ninety Mile Beach reicht hoch bis Cape Reinga. Nachdem das Wetter in den letzten beiden Tagen etwas trüb war, war der Ostersonntag sommerlich heiß. Gut, dass der Strand trotz hoher Wellen wunderbar zum Baden geeignet war. Wegen der Wellen machte das Baden erst recht Spaß. Der Strand von Ahipara ist aber auch ein hervorragendes Surf-Revier.
Da wir Northland an der Ostküste herauf gefahren sind, wollten wir nun an der Westküste wieder südwärts reisen. Die nächste gute (=saubere und komfortable) Camping-Möglichkeit lag allerdings mehr als drei Fahrtstunden entfernt, was wir unserem Nachwuchs nicht zumuten wollten. Auf halber Strecke, am Hokianga Harbour, liegt aber eine Öko-Lodge namens The Tree House, die in unserem Reiseführer (DuMont Reise-Handbuch Neuseeland) die Bewertung „paradiesisch“ bekam und in der weiteren Beschreibung wurden „romantische Liebeshütten für Paare“ versprochen. So kamen wir zur ersten Nacht in einem echten Bett nach 7 Wochen im Camper. Die „Liebeshütte“ hatte aber außer einem Bett und einer Terrasse nichts weiter zu bieten, Küche und Bad wurden im Haupthaus benutzt. Das war aber nicht weiter tragisch, da außer uns nur ein österreichisches Pärchen zu Gast war, die in einem ausgedienten Bus im Garten nächtigten. Die Lage der Lodge in halbwildem Buschland war wirklich außergewöhnlich, wir fühlten uns fast wie im Dschungelcamp.
Es gab sogar einen Spielkameraden für Theo, ein ebenfalls einjähriger Junge der zu den Gastgebern gehörte. So richtig konnte sich Theo mit dem kleinen Burschen aber nicht anfreunden, das könnte daran gelegen haben, dass der Theo als Begrüßung erst einmal an den Haaren zog. Theo revanchierte sich aber später mit Tritten.
So erholsam wie gehofft war die Nacht dann aber doch nicht, denn das Bett hatte wirklich die perfekte Breite für eine Liebeshütte – nicht aber für drei Personen, wenn auch eine davon noch sehr klein ist.
Wir setzten dann am nächsten Morgen mit der Fähre über den Hokianga Harbour. An der Südseite des Meeresarms liegt die Ortschaft Opononi, die in den Jahren 1955/56 Berühmtheit in ganz Neuseeland und darüber hinaus erlangte, als ein wilder Delphin auftauchte, der mit Kindern spielte und Kunststücke vorführte. Der Delphin wurde Opo genannt und inspirierte amerikanische TV-Produzenten in den 60ern zur allseits bekannten Serie Flipper. Am 9. März 1956 wurde Opo tot aufgefunden, eingeklemmt in einer Felsspalte. Mythen ranken sich um seine Todesumstände, die bis heute nicht aufgeklärt werden konnten. Die Geschichte von Opo kann hier nachgelesen werden und hier gibt es eine Fernsehdokumentation auf YouTube.
Das nächste Highlight auf unsere Reiseroute waren die Baumriesen des Waipua Kauri Forest. Die Kauris, deren Abholzung erst 1973 verboten wurde, sind heute durch eine Krankheit bedroht und stehen deshalb unter besonderem Schutz. Wir sahen uns die zwei größten noch lebenden Exemplare an. Da wäre an Nummer 1 Tane Mahuta (Herr des Waldes).
Der Bursche ist 51 m hoch und deshalb nicht so einfach zu fotografieren. Der zweitgrößte Kauri ist Te Matua Ngahere (Vater des Waldes). Der ist zwar nur etwa 30 m hoch, hat aber mit über 16 m den größten Stammumfang aller Kauris. Sein Alter wird auf über 2000 Jahre geschätzt.
Der Baum wurde leider 2007 durch Stürme stark beschädigt.
Während Tane Mahuta fast direkt am Highway steht, muss man zu Te Matua Ngahere einen kurzen Fußmarsch absolvieren, der durch einen sehr schönen Regenwald mit dichtem Kauri-Bestand führt.
Nach so viel Wald war es mal wieder Zeit für Strand, und so machten wir kurz Halt am Ripiro Beach, der sich satte 107 km hinzieht und damit länger ist als der bekanntere Ninety Mile Beach. Zugang zum Strand fanden wir im Ort Baylys Beach.
Schwimmen war hier allerdings nicht möglich, das ist wegen der Brandung und der Strömungen zu gefährlich.
Im Örtchen Matakohe besuchten wir dann das absolut empfehlenswerte Kauri-Museum. Besonders interessant fand ich, wie dem Besucher das Leben der frühen Siedler nahe gebracht wurde, die unter primitiven Umständen leben mussten. Aber das war in der Regel immer noch besser, als das Leben das sie in ihrer europäischen Heimat zurück ließen.
Die Besiedlung durch europäische Einwanderer ging mit der Abholzung der Wälder einher, um Platz für Weideland zu schaffen. So wurde ein Großteil der ursprünglichen Waldflächen Neuseelands durch Brandrodung vernichtet, der andere durch die Holzindustrie. Kauri-Bäume waren wegen ihres hervorragenden Holzes begehrt, das im Boots- und Schiffbau beliebt war, aber natürlich auch anderweitig Verwendung fand.
Die Kauri-Abholzung wurde Anfang des 20. Jahrhunderts durch den Fotografen Tudor Collins umfangreich dokumentiert, dessen Werk einen großen Anteil an Museumsexponaten ausmacht.
Bei unserer Reise durch Neuseeland haben wir immer wieder bedauert, dass die Waldflächen so schonungslos vernichtet wurden. Das fiel uns speziell dann auf, wenn wir an einem Stück erhaltenen Waldes vorbei kamen.
Ein hartes Leben hatten auch die Gumdiggers, die nach Kauri-Harz gruben. Kauri-Harz ist fossiles Harz, das an Bernstein erinnert, aber viel jünger, weicher und bei Weitem nicht so wertvoll ist. Es wurde Anfang des 20. Jahrhunderts z.B. als Rohstoff für Linoleum und Lacke verwendet, aber auch zu Schmuck verarbeitet.
In der nächsten Folge heißt es dann leider Abschied zu nehmen von Neuseeland.